Clean Climbing Camp 1 2017 in Pietramurata (bei Arco) - Italien


Kaum hat man sich zwei mal umgedreht ist diese Woche schon wieder ein Monat her und man ist wieder voll drin im Strudel des Alltags, mit all der Arbeit, den Freunden, der Familie, dem Haushalt und ja, auch den Sorgen die darin so mitgespült werden. Umso schöner ist an diese Woche zurückzudenken, in der ein Tag so lang war wie eine Woche danach. Die voller Erlebnisse war, voller Aufgaben, voller Organisation und doch so entschleunigt. Es ist wunderschön festzustellen, wie wenig man braucht, um glücklich zu sein, wenn man sich erst einmal traut vieles vermeintlich nötige zu Hause zu lassen.

Was bleibt ist eine kurze Liste:

  • Drei Mahlzeiten am Tag
  • Ein Bett
  • Sonne und frische Luft
  • Bewegung
  • Seine Gang



Der MAC erobert Italien, genauer gesagt Pietramurata in der Nähe Arcos. Diesmal legt er sich an die Leine und nicht auf die Matte, heißt: Seilklettern statt Bouldern. Was für viele eine besondere Herausforderung ist. Es ist für uns meist nicht selbstverständlich, an uns zu glauben. Wir haben alle einiges daheim lassen können, unsere Pakete, unsere Vergangenheit gehört nicht dazu. In adrenalingeschwängerten Situationen, eben jenen in einigen Metern Höhe an einem dünnen Stück Plastik hängend, werden wir genau damit konfrontiert. Mit Selbstzweifeln, Angst, Fragen des Selbstbewusstseins, Frustration, Stressbewältigung, innere Ruhe, die Liste ließe sich beliebig fortführen. Um was es geht wird aber wohl bereits jetzt klar: das Auseinandersetzen mit dem eigenen Ich, den eigenen Grenzen. Das ist verdammt anstrengend, machen wir uns nichts vor. Da fließen Tränen wenn die Angst zu groß wird. Da stürzt die Laune ab wenn der Durchstieg einer Route nicht funktioniert. Da fährt gar ein Teilnehmer wieder zurück, weil die verletzungsbedingten Schmerzen zu viel sind. Der Liegestuhl im Hotel wäre weitaus angenehmer. Und sicherer. Und mit Erfolgsgarantie. Aber wollen wir das wirklich? Fuck nein, das wollen wir auf keinen Fall. Die Frage ist, warum wollen wir es nicht?

Die Antwort auf diese Frage wird sicherlich jeder Teilnehmer anders beantworten. Daher ist diese Einschätzung eine sehr persönliche, eine Zusammenfassung dessen, was ich von meinem Umfeld wahrnehme. Zunächst merke ich, wir sind alle heiß auf einen Kick. Wir brauchen dieses Adrenalin, wir brauchen das Zittern in den Gliedern. Wir fühlen uns genau hier lebendig. Es ist schwer so etwas zu vermitteln, aber in dem kurzen Moment in dem man den obersten Haken berührt, die Sicherungskette zumacht und man sich zurücklehnen kann um den Blick kilometerweit durch das den Gardasee umschmeichelnde Tal Arcos schweifen zu lassen, ist man frei. Wirklich frei meine ich. In diesem Moment willst du nirgendwo anders sein. Ohne es wirklich zu merken lernst du hier unglaublich viel. Erfolg zu haben ist das Resultat eines anstrengenden Aufstiegs zum Beispiel. Es reicht weiterhin nicht, die ersten Schritte Vollgas zu geben. Du musst dran bleiben. Und dir bewusst sein das du schnell wieder unten ankommen kannst wenn du nicht konzentriert bleibst. Du lernst dein Ziel zu fokussieren und zu verfolgen. Jedes Mal wenn du dies nicht tust, wirst du nicht oben ankommen. Du lernst aber auch die tiefe Befriedigung kennen, die mit dem Einsammeln der Erfolge der eigenen Arbeit einhergeht. Eine Befriedigung, die keine Schattenseite hat, kein aber.

Das mag für einige selbstverständlich klingen, doch für Menschen mit Suchtvergangenheit ist es das eben nicht. Der Kick kommt ganz einfach durch die Nase. Das Gefühl der Belohnung ebenfalls. Ohne kräftezehrenden, anstrengenden, manchmal frustrierenden, manchmal gar fruchtlosen Aufstieg, ohne Anstrengung, jedoch mit einem großen ABER, einer großen Schattenseite. Das ist der große Unterschied, das ist der tiefere Sinn den wir in meinen Augen im Klettern sehen und finden. Was zu dem, in meinen Augen, zweiten großen Grund führt - nicht auf der Hotel Liege zu fläzen. Wir wollen wachsen, über uns hinaus. Weswegen ich gern an den eingangs geschilderte Szenen anknüpfe. Denn die Tränen der Angst sind versiegt, die Panik wurde, auch durch die Hilfestellung einiger Mitglieder, beherrschbar. Der Frust eines missglückten Durchstiegs wird durch den nächsten Onsight weggewischt. Wenn wir dranbleiben, schaffen wir es. Ob allein oder gemeinsam. Es ist für mich immer wieder erstaunlich festzustellen: Wenn ich in einer Gruppe unterwegs bin, in der der sonst für die Leistung so hochgelobte Konkurrenzgedanke nicht vordergründig ist, sondern wir alle dem Gegenüber einfach eine geile und erfolgreiche Zeit wünschen, wachse ich mehr über mich hinaus als in jedem Wettbewerb. Hier zitiere ich gerne einen MACler: Das gute Gefühl bleibt. Und unsere Tür ist immer offen, wenn Teilnehmer, die es jetzt noch nicht sind, später bereit für diese Herausforderung sind.

Daher:
Danke euch allen! Danke für das gegenseitige Vertrauen am Fels. Danke, dass ich mich auf meine Sicherungspartner verlassen kann. Danke, dass ihr mich vor dem Grounder bewahrt. Und das wir Fehler gemeinsam analysieren und in Zukunft verhindern. Danke für den Kaffee nach dem Aufstehen, der immer schon fertig war. Danke für die unzählbaren Wortspiele, Insider und Running Gags, die zugegebenermaßen manches Gespräch fast unmöglich werden ließen, jedoch zu einer Woche geführt haben in der ich so viel gelacht habe wie selten. Danke für die offenen Ohren, die tiefsinnigen Gespräche, den Zusammenhalt. Das Teamwork. Und für so vieles mehr. Jungs und Mädels, ihr seid der Hammer, vergesst das nie. Auf viele weitere CCCs.